Jeder Mensch hat Erinnerungen an einen oder seinen Garten. Der Aufenthalt im Freien, an der frischen Luft, belebt Körper und Geist. Die Natur beobachten und sich einfühlen in ihre Zusammenhänge bewirken einen inneren Frieden, den vermutlich jeder schon erlebt hat, der sich in einem Garten aufgehalten hat.
Auch pflegebedürftige Menschen wollen sich draußen bewegen können. Sie verspüren auch nach ihrem Einzug in ein Seniorenheim einen Drang nach frischer Luft, nach Wind und Sonne. In dem Bemühen um eine bedürfnisorientierte und normalitätsvermittelnde Alltagsgestaltung, ist die Gestaltung der Außenanlagen und hier insbesondere die Möglichkeit, Zeit draußen im Garten zu verbringen ein wichtiger Aspekt von Lebensqualität.
Außenanlagen sind Erlebnis- und Erfahrungsfelder. Ein Garten bietet den Menschen die Möglichkeit sich im Freien zu betätigen, Natur zu erleben und zu betrachten. Das Beobachten von Wachstum, Erblühen und Vergehen im natürlichen Zyklus eines Gartens regt alle Sinnesorgane an. Die Ansprache aller Sinne bedeutet für jeden, aber vor allem auch für ältere, in ihrer Sinneswahrnehmung beeinträchtigte Menschen eine Steigerung ihrer Lebensqualität. Insbesondere in der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz hat ein Garten eine besondere Bedeutung: er kann Türen der Begegnung und Kommunikation zu den Menschen und ihrem Erfahrungsschatz öffnen, denn ein Garten lädt zum Anfassen, Riechen, Schauen, Beobachten, zum Arbeiten und Kommunizieren ein: Ein Blumenbeet ist farbenfroh, ein Gewürzpflanzbeet strömt Düfte aus, am Vogelhaus lassen sich Vögel beobachten, ein Gemüsebeet fordert zum Ernten und Essen auf.
Menschen, die in ihrem eigenen Garten oder auf ihrem eigenen Hof gearbeitet, Kartoffeln angepflanzt oder Blumen gezüchtet haben, finden in einem Garten viele vertraute Betätigungen. Durch diese gewisse Alltagsnormalität können Zugänge zu Menschen mit Demenz geschaffen und eine Interaktion und Kommunikation in Gang gesetzt werden.
Alltagsnormalität
Die Schaffung einer Außenanlage, die jederzeit begehbar ist, hat zu einer deutlichen Erweiterung des Lebens- und Erlebensraums für die Bewohner*innen des Seniorenzentrums St. Gerhardus geführt. Unabhängig von der Tageszeit oder den Witterungsbedingungen suchen sie den Sinnesgarten auf und verbringen dort einen Teil ihrer Zeit.
Schaffung eines Freiraumes bei Ausschluss einer Selbstgefährdung
Bei der Erstellung des Sinnesgartens wurden Sicherheitsaspekte immer mitbedacht, so dass heute eine Nutzung des Geländes unter weitest gehendem Ausschluss von Selbstgefährdung stattfinden kann.
Ein Rundweg, der ein selbständiges, barrierefreies Laufen ermöglicht und mit Ruhezonen zum Verweilen ausgestattet ist
Der entstandene Rundweg ist barrierefrei gehalten und bietet sowohl die Möglichkeit neben der reinen Bewegung im Gehen sich zum Beispiel auch an den installierten Sportgeräten zu ertüchtigen. Daneben sind Momente des Verweilens und Ausruhens in den Strandkörben oder auf den Bänken möglich. Der zum Teil deutlich erhöhte Bewegungsdrang von Menschen mit Demenz wird hier aufgenommen und in sichere Bahnen gelenkt. Neben der kürzeren Strecke kann auch eine etwas längere genommen werden, die an den Hochbeeten und der Vogelvoliere entlangführt. Hier ist seit der Eröffnung einer der Hauptanziehungspunkte des Parks entstanden, da die Vögel ausgesprochen aktiv sind und das direkt nebenan gelegen Gemüsehochbeet gern bewirtschaftet wird.
Natürliche Stimulation durch bunte duftende Pflanzen, Wasser und Windspiele, Licht- und Schattenspiele, die die Sinne anregen und beruhigend wirken
Bewohner*innen teilen immer wieder mit, dass sowohl beim Blick aus dem Fenster des eigenen Zimmers, als auch während der Spaziergänge im Sinnesgarten, die unterschiedlichen Blickwinkel, Oberflächen und Lichtverhältnisse ausgesprochen anregend wirken. Speziell der Teich und der Baumbestand werden, neben der Gesamtkonturierung des Geländes, immer wieder als ausgesprochen beruhigende Elemente beschrieben.
Eine Hecke um den Garten, der ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit schafft
Die gepflanzte Hecke gibt dem Gelände einen behütenden Rahmen, auch wenn sie noch zu niedrig ist, um ihre abschirmende Wirkung voll zu entfalten.
Interesse wecken an gärtnerischen Arbeiten und das Erleben von Fähigkeiten z. B. durch Säen, Pflanzen, Gießen, Harken, Ernten etc.
Die Mitarbeit bei der Bearbeitung der Hochbeete hat sich für die Bewohner*innen als ausgesprochen motivierende Tätigkeit herausgebildet. Dabei werden Fähigkeiten zurückgewonnen und Kompetenzen gestärkt. Mit Genuss werden die geernteten Pflanzen und Kräuter in den Wohnküchen gemeinsam mit anderen Bewohner*innen zubreitet und verzehrt.
Gelegenheit zur Begegnung, aber auch als Rückzugsmöglichkeit je nach den persönlichen Bedürfnissen
Die unterschiedlichen Zonen des Sinnesgartens ermöglichen es Bewohner*innen sich in kommunikativer Gemeinschaft zusammenzufinden, aber auch zum Beispiel auf dem Holzdeck hinter dem Neubau Ruhe und Abgeschiedenheit zu erleben. Beides wird sehr oft und ausgiebig genutzt.
Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens und der Lebensqualität der Bewohner*innen
Aktivitäten, die sonst in der Wohnküche stattfinden, werden wenn es das Wetter erlaubt, von innen nach außen verlagert, z. B. Sing-, Erzähl- oder Bewegungsgruppen.
Die Verlagerung von Aktivitäten aus den Gebäuden heraus in den Park hinein, hat zwischenzeitlich alle Erwartungen im Vorfeld übertroffen. Sowohl Angebote der Betreuung als auch der Hauswirtschaft werden, sobald das Wetter es zulässt, häufig auch auf ausdrücklichen Wunsch der Bewohner*innen, in den Sinnesgarten verlegt.
Jahreszeitliche Orientierung durch aktives Erleben der Natur der jeweils typischen Vegetation
Die enge Verbundenheit der Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen mit dem Sinnesgarten hat zu einem engen Erleben der Natur und ihren Veränderungen im Jahresverlauf geführt. Jahreszeitliche Wahrnehmung prägt das Leben in der Einrichtung, so dass unter anderem der Bruterfolg der Kanarienvögel in der Voliere als gemeinschaftliches Erfolgserlebnis wahrgenommen wird. Jahreszeitlich typische Blumen und Farben im Garten bieten eine Orientierung. Das Frühjahr kündigen Krokusse, Schlüsselblumen und Märzbecher an. Im Frühsommer blühen Flieder und Pfingstrosen. Im Sommer zeigen sich Rosen, Lavendel, Margeriten. Der Herbst wird begleitet von Astern und Dahlien sowie vom Verfärben des Laubes. Den Winter bestimmen Christrosen, Schneeglöckchen und Tannengrün. Auch die wechselnden Temperaturen bieten eine unmittelbar erlebbare jahreszeitliche Orientierung.
Der Innenhof und die Laubengänge
Der Innenhof und die Laubengänge bilden den beschützten Bereich des Gartens. Speziell der Innenhof wird als Treffpunkt von den Bewohner*innen bei jedem Sonnenstrahl genutzt. Kleine oder auch größere Gruppen finden sich regelmäßig auf der Terrasse zusammen.. Bewohner*innen, Angehörige und Gäste nutzen diesen Kommunikationsraum intensiv. Gruppenaktivitäten finden hier unter großer Beteiligung statt. Die Bewirtschaftung aus der angrenzenden Wohnküche heraus, erfolgt reibungslos und wird von den Bewohner*innen gerne in Anspruch genommen.
Die Laubengänge bieten Raum für Bewegung und unmittelbaren Kontakt mit der Natur aber auch mit den Zimmernachbarn.
Die Bewohner*innen können, wenn es die Wetterlage zulässt, selbstbestimmt in den Innenhof oder die Laubengänge gelangen und nutzen diese Möglichkeiten zunehmend intensiver.
Behüteter Außenbereich
Der behütete Bereich der Gartenanlage schließt sich direkt an die Terrasse der Cafeteria an. Eine großzügige Teichanlage, die in verschiedenen Höhen zu umrunden ist, gibt Gelegenheit sich vom Wellenspiel inspirieren zu lassen oder selbst Wasserbewegungen zu erzeugen. Die Wegführung ist so gestaltet, dass auch Rollstuhlfahrer in das Wasser hineingreifen können. Die Terrasse und der Weg um die Teichanlage sind von den Bewohner*innen sofort angenommen worden und werden im Tagesverlauf vielfach genutzt. Die gesamte Nutzungsbreite vom Sonnenbad und gemeinsamen Handarbeiten, über Unterhaltung beim Kaffeetrinken und gemeinsamen Gesellschaftsspiel, Gruppenangeboten des Sozialen Dienstes, Feste und Feiern wird inzwischen gerne ausgeschöpft.
Der direkt am Teich befindliche Bettenplatz wird bei entsprechender Wetterlage intensiv genutzt, ermöglicht damit für sonst nur sehr kurzzeitig zu mobilisierende Bewohner*innen längere Aufenthalte im Freien. Die Mitarbeiter*innen des Pflegedienstes erleben hier die Bewohner*innen häufig wacher und intensiver an der Umwelt interessiert als im Zimmer.
Kommunikation
Der Garten ist ein Ort der Kommunikation und ermuntert zu vielfältigen Gesprächsthemen. Wetter, Pflanzen, Tiere etc. eignen sich besonders für die Erinnerungsarbeit und - pflege. Diese Erinnerungsreisen bereiten Freude, stärken das Selbstwertgefühl und die Identität der Bewohner*innen. Auch Angehörige finden bei einem Spaziergang durch den Garten, -fast wie von selbst-, Anregungen für ein gemeinsames Gespräch, um mit Bewohner*innen und anderen Besuchern in Kontakt zu treten. Für ehrenamtliche Mitarbeiter*innen bietet dieser Garten ein vielfältiges Betätigungsfeld, sei es mit den Bewohner*innen zu gärtnern, die Tiere zu versorgen oder einfach nur spazieren zu gehen und über die vielen Eindrücke des Gartens ins Gespräch zu kommen. Der Garten ist für Jedermann geöffnet und fördert so Begegnungsmöglichkeiten innerhalb des Gemeinwesens. Über verschiedene Vernetzungen mit Kindergarten- und Schülergruppen kommt es zu einer Begegnung von Alt und Jung im Garten, die für beide Seiten bereichernd ist.
Das Wahrnehmen von Reizen über verschiedene Sinne wirkt beruhigend, weckt vergessene Erinnerungen und löst Wohlbefinden aus.
Das Ansprechen aller Sinne ermöglicht den Bewohner*innen im Rahmen ihrer persönlichen Ressourcen bewusst am Leben teilzunehmen.
Der Sinnesgarten ist für Bewohner*innen, Mitarbeiter*innen und Besucher*innen ein Ort der Begegnung, Kommunikation, Freude und Sinneserfahrungen geworden. Der Gewinn an Lebensqualität und Lebensfreude, den dieser Garten ermöglicht, lässt sich nur bedingt in Worte fassen.